Ich bin geschockt. Ich stehe im ersten Stock des Thien Phuoc Shelter und sehe auf zwanzig Kinder, die an zerebraler Erkrankung leiden, runter. Wo bei leiden noch milde ausgedruckt ist.

Saigon Children Charity unterstütz das Waisenhaus Thien Phuoc Shelter, weil sie gemerkt haben, wie wenig für körperlich beeinträchtigte Kinder gemacht wird. Abhängig vom Krankheitsbild soll nicht nur eine bessere Verpflegung organisiert werden, auch ist das Ziel, den Kindern die Möglichkeit zu bieten, mehr zu machen als nur da zu sitzen und zu warten, bis der Tag vorbei ist.

Die Leiterin des Heimes ist davon Überzeugt, dass man diesen Kindern nichts beibringen kann.

Die Kinder liegen einige Zentimeter über dem Boden auf Notbetten und wenn ich es nicht besser wissen würde, warten sie im besten Fall auf den Tod. Es sieht übel aus, wirklich. Zwar ist der Raum hell und sauber, doch tu ich mir schwer, die Kinder hier auf den Notbetten liegen zu sehen.

Aus dem ganzen Land landen verstossene Kinder hier. Oftmals können sie kaum reden und sich nur durch Gestik ausdrücken. Es ist kein Wunder, denn in Vietnam werden Menschen mit Behinderungen als Unglücksbringer angesehen und von der Bevölkerung verstossen.

Kinder liegen die meiste Zeit da und warten.

Anhand des Tagesplans liegen die Kinder hier 80 Prozent des Tages in diesem Zimmer. Der Rest der Zeit wird damit verbracht sie zu waschen, zu verpflegen und mit leichten Bewegungsübungen die Motorik zu fördern.

Als ich mich durch den Raum bewege, merke ich, wie ich die Aufmerksamkeit vom einen oder anderen Kind auf mich ziehe. Ich bin mir sicher, dass sie realisieren, was geschieht.

Saigon

Staat : Vietnam
Region : Nam Bo
Einwohner : 8’993’082 (2019)
Fläche : 2’095 km2
Gründung: 1698
Daten von wikipedia

Thien Phuoc Shelter

Giang hat mir auf der Fahrt erzählt, dass die Leiterin des Heims zwar sehr kooperativ sei, doch fest der Überzeugung ist, dass man diesen Kindern nichts beibringen kann. Saigon Children Charity möchte das ändern.
Ich muss Giang zustimmen, hier kann was gemacht werden. Ich knie zu einem Jungen nieder, er mag vielleicht erst 13 Jahre alt sein und kann sich seit Geburt nicht selbstständig bewegen. Da liegend schaue ich in seinen dunkelbraunen Augen, ich sehe ein Funkeln in seinen Augen, doch verständigen können wir uns nicht. Wenn man diesen Raum nicht mit eigenen Augen gesehen hat, kann man sich nur schlecht vorstellen, wie ich mich in diesem Moment fühlte.

Ein Stockwerk höher befindet sich ein Klassenzimmer/Aufenthaltsraum. Es sieht wie im Allgemeinen sehr gepflegt aus in diesem Heim. Mehrere internationale Firmen haben sich beim Bau des Gebäudes beteiligt, so hat es auch einen Lift im Haus, der den Transport der Kinder im Rollstuhl vereinfacht. In der einen Ecke des Raumes steht ein Schrank voller Spiele. Viele davon sind ungeöffnet, weil sie für die Kinder hier schlechtweg untauglich sind.

Jedes Jahr hat die Besitzerin von gutmütigen Personen Spielsachen geschenkt bekommen, bis Sie eines Tages um Material für den Unterhalt des Heims bat. Für das Heim arbeiten einheimische sowie Freiwillige aus anderen Ländern. Hilfe ist dringend nötig, denn die Aufgaben hier vordern ständige Präsenz und Einsatz. Leider kommt die Hilfe weniger von der örtlichen Bevölkerung, man sei in der Nachbarschaft geduldet. Es braucht viel Zeit die Bevölkerung in Vietnam davon zu überzeugen, dass die Behindertenkinder ein Recht in der Gesellschaft haben. Die Behörden tun viel zu wenig in diesem Bereich, was durch das geringe Haushaltsgeld des Staates verständlich ist. Die Prioritäten liegen, wo anders.

Sympathisches Treffen

Zurück im Erdgeschoss sieht es nicht viel besser aus als im ersten Stock. Kinder sitzen da und warten. Hier ist definitiv Handlungsbedarf und Saigon Children Charity hat dies erkannt.

Ich unterhalte mich mit zwei Heimmitbewohner. Beide sind zwei unglaublich sympathische Menschen.  Anh, 22 Jahre alt, ist schon seit seiner Geburt an den Rollstuhl und auf fremde Hilfe angewiesen. Englisch hat er sich selber beigebracht. Während dem ich mit ihm Rede blüht er richtig auf, ich merke, wie er es genießt, mit jemandem zu sprechen.

Es ist klar, jemandem wie ihm muss man die Chance auf ein Leben geben. Er kann zwar nicht gehen und mit seinen Händen kann er keinen Stift halten, doch auf einem Touch-Screen tippen oder über den Gehörsinn könnte sich auch er weiterbilden. Im Wesentlichen ist er nicht anders als andere Jungs in seinem Alter. Er liebt Fußball, ist Manchester United Fan und findet Rooney ein super Fußballer. Daneben schaut er auch gerne amerikanische Blockbuster.

Bei Can, 26 Jahre, sieht es schon wieder anders aus. Mit seiner Down Syndrom Erkrankung ist er körperlich agil, doch weiß er nicht wie damit umzugehen. Als ich ihn zuvor beobachtet habe, kommt er mir vor wie ein Zweijähriger mit Bauklötzen um sich werfend. Mit der richtigen Anleitung könnte auch er mehr erreichen und vielleicht einfache Handwerke erlernen. Er ist einer der wenigen, der tagsüber von seinen Eltern hierher gebracht wird und am Abend abgeholt wird. Was aber, wenn seine Eltern gestorben sind? Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei circa 35 Jahren. Die Kinder bleiben in der Regel bis zum Ende ihrer Lebenszeit im Heim.

Unklare Zukunft

Im Gespräch mit der für das Heim verantwortlichen Nonne erfahre ich, dass sie keinerlei finanzielle Unterstützung von der Kirche beansprucht. Dies, um unter anderem weiterhin unabhängig agieren zu können. Jedoch läuft ihr letztes Amtsjahr, danach bekommt sie eine andere Arbeitsaufgabe. Was mit der darauf folgenden Nonne und dem Heim geschieht, weiß niemand.

Der Aufenthaltsraum im Erdgeschoss.

Mit den richtigen Mitteln wäre es möglich, dieses Heim in ein ausgezeichnetes Institut für beeinträchtigte Menschen zu verwandeln. Für mich war dieser Besuch ein sehr bewegender Abstecher in einen Teil der Bevölkerung von Vietnam, von dem man hier sonst nicht zu sehen bekommt.

Nach diesem Besuch nimmt es mich persönlich wunder, was machen wir in der Schweiz besser? Wie gehen wir mit solchen Kindern um? Den Anblick werde ich wohl so nicht rasch vergessen und habe mich darum entschieden, einem Kind ein wenig Glück im Leben zu schenken, weshalb ich Anh ein Fußball Shirt von Manchester United zugesendet habe.

Ich habe in Asien noch weitere Schulen besucht. Finde hier weitere Reportagen.

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